Zhiming Youxi
SabriSonneRedakteur
#1„The Spirealm“ ist mal wieder eine richtig gute Serie mit unverbrauchtem Setting. Eigentlich total klasse… wenn nicht die Subs stellenweise so unmöglich wären!
Zur Handlung
„The Spirealm“ ist ein Shorty mit knapp 20min Laufzeit. So wirken die 78 Folgen nur im ersten Moment wirklich erschreckend, da man die Zahl hier durch 2 teilen kann und man kommt auf die tatsächliche Folgenzahl der normalen chinesischen Standardlänge von knapp 45min.
Doch selbst dann ist die Länge nicht abschreckend: Die Serie hat einen überragend guten Spannungsbogen!
Wir begleitet Lin Qiushi, der nach einem Autounfall plötzlich Teilnehmer eines seltsamen VR-Escape-Room-Spiels wird und gemeinsam mit seinen zukünftigen Teamgefährten einen Weg aus der Welt hinter den Türen finden muss. Schafft er es nicht, wartet der sichere Tod.
Eine schon mal sehr starke Prämisse, da die Unmöglichkeit des Scheiterns der ganzen Handlung eine krasse Dramatik gibt. Und sicherlich haben hier unsere Hauptcharaktere eine gewisse Plot-Armor, aber wer schon die eine oder andere chinesische Serie gesehen hat, der weiß, dass das nicht automatisch was heißt.
Somit verfolgen wir unsere Gruppe aus Helden, die es sich zur Aufgabe machen, bis zur finalen 12. Tür zu spielen, um das Spiel in seinen Ausgangszustand zurückzusetzen. Über die Laufzeit dürfen wir damit in 10 Türen eintauchen (wobei die 11. eine Doppeltür ist), bis wir zum großen Finale kommen.
Bis auf die 11. Tür waren alle anderen Türen wirklich hervorragend!
Die Geschichten sind dabei extrem unterschiedlich, bedienen sich aber alle dem Black Fantasy und damit dem Horror-Genre und sind teilweise sehr zum Gruseln. Alle haben dabei einen realexistierenden Hintergrund und greifen von klassischen Kinderreimen über die Gebrüder Grimm bis zu Urban Legends alles auf. Das erinnert schon an Serien wie „Tientsin Mystic“ oder „Psych Hunter“, die sich allein durch ihr Setting schon sehr von anderen Titeln abheben. So darf man immer wieder in verschobene Traumwelten eintauchen, in denen die Regeln ein bisschen anders sind. Die Spannung ist echt, die Sets super und die Geschichten tun dabei noch ihr übriges. Sicherlich interessiert man sich für die eine Story mehr als für die andere, dennoch sind alle auf sehr gutem Niveau und es macht Spaß, mit den Figuren zusammen das Rätsel der jeweiligen Geschichte zu lösen. Denn oft weiß man wie die Charaktere gar nicht, was des Rätsels Lösung nun sein soll.
Hierfür bekommt derjenige, der als erstes die Tür beendet, einen Hinweis für die nächste Tür (alle Nachfolgenden bekommen diesen nicht). Somit hat man nicht nur den sicheren Tod im Nacken, sondern auch einen gewissen Druck, als Erster fertig zu werden, um den Hinweis abzugreifen. Diese sind teilweise mehr oder weniger hilfreich, sodass man auch als Zuschauer mitdenken kann, wie nun gewisse Aussagen zu verstehen sind. So finden z.B. unsere Hauptcharaktere schon heraus, worum es in der Tür gehen könnte, bei anderen Aussagen entscheidet tatsächlich der Zufall, wann sie von Nutzen sein werden. Da die Subs hier aber stellenweise keinen Sinn ergeben oder gar fehlen, verpufft der Effekt oft oder wird erst im Nachhinein ersichtlich, was ich sehr schade fand.
So entstehen leider unnötiger Weise viele Plotholes. Auch der Wechsel vom Grundsetting in Richtung Videospiel sorgt hier für Nachteile: im Original sind alle Spieler direkt vom Tod bedroht. Je näher man am Tod ist, desto schwerer das Level.
In „The Spirealm“ wird kaum offensichtlich, warum Leute als Spieler ausgewählt werden. Ebenso ist nicht ersichtlich, wann welches Level gespielt werden kann. So spielen unsere Hauptcharaktere bereits Level 5, und treffen dort trotzdem noch auf absolute Anfänger. Und das wichtigste: wenn es ein Spiel ist, wieso gibt es keine Let’s Plays oder Lösungsbücher? Warum muss jedes Level in jeder Runde neu erkundet werden, wenn es doch von anderen Menschen schon gespielt wurde?
Und das sorgt auch schnell zu einem Bruch mit einem der Hauptcharaktere, nämlich Ruan Nanzhu, der offensichtlich schon mehrere Level gespielt hat, bis Lin Qiushi dazu kommt, aber kaum nennenswerte Hinweise für die Lösung gibt. Er spielt auf dem gleichen Niveau wie Anfänger Qiushi, sodass die Regeln des Spiels sehr unklar werden: wie viele Level gibt es denn nun? Generiert sie das Spiel jede Runde neu? Was bedingt, welches Level ich spielen muss?
Fragen über Fragen, die im Original deutlich mehr Sinn machen, aber hier leider zu Plotholes führen.
Was ich jedoch in „The Spirealm“ deutlich besser fand als im Original ist die Tatsache, dass die Geschichten hinter den Türen deutlich emotionaler ausgelegt werden. Während man im Original nämlich einfach nur durchrennt, versucht man hier den NPCs der Geschichten Charakter und auch Redemption-Arcs zu geben. Das macht viele Geschichten noch einmal zusätzlich emotional, was ich für sehr gelungen halte. Des Öfteren verkneift man sich die Tränen, v.a. in den ersten Geschichten.
Selbst der Start der Serie mit dem Anfangslevel, das alles erklärt, fand ich sehr gelungen, da auch hier die nötige Emotionalität aufkommt und man ein gutes Gefühl dafür bekommt, was noch kommen kann. Meine Highlights waren dann v.a. Geschichte 2, 3 und 4, aber auch die anderen sind sehr gut.
Die finale Auflösung der Geschichte fand ich persönlich gelungen, auch wenn man den Spielentwickler nie wirklich zu Gesicht bekommt und ich die 11. Tür einen absoluten Fehltritt fand. Gerade im Hinblick auf die sehr starken Geschichten davor wirklich schlecht und unnötig. Sicherlich kam die Idee dafür aus dem Original, aber das Original hat nun mal eine andere Vorgeschichte und einen anderen Grundaufbau. So zerstört sich die eigentlich gute Finalidee dadurch selbst, da man sich für das Gaming-Setting entschieden hat und man viele im Original zentralere „normale" Spieler durch die Gegenspielergruppe „X" ersetzt hat. Somit verpufft die originale Auslegung der Idee in der Serie leider ziemlich.
Und was leider auch sehr unnötig war, waren die Subs.
Eigentlich sollte man froh sein, dass überhaupt welche da sind (das ist in chinesischen Serien nicht selbstverständlich!), aber wenn man kein Gefühl für Chinesisch hat und zumindest nicht ein paar Wörter kennt, dann ist es echt hart. Problemtisch wurde es v.a. beim Lösen von Rätseln, wo man sich viele Gedankengänge herleiten muss, aber auch bei den Personalpronomen. „Er, Sie und Es“ werden im Chinesischen durch den gleichen Laut ausgedrückt, der jedoch unterschiedlich geschrieben wird. Ich bin ehrlich: da hilft manchmal nur mitlesen im chinesischen Sub, da hier so oft die Personalpronomen durcheinander kommen, dass man echt aufpassen muss, von wem geredet wird.
Deswegen für blutige Anfänger leider absolut unmöglich…
Zu den Charakteren
Und das ist sehr schade, sind doch neben der Handlung auch die Figuren ein großer Pluspunkt.
Insgesamt haben wir viele Standardfiguren in den Hauptrollen, die zwar nicht neu sind, im Setting aber gut funktionieren. Insgesamt kommt es eh eher auf die NPCs der jeweiligen Geschichte an, und die Hauptcharaktere sind eher dafür da, um uns als Zuschauer abzuholen.
Ruan Nanzhu ist von der ersten Sekunde mysteriös und wird damit schnell interessant. Bei Lin Qiushi haben wir vermutlich die größte Charakterentwicklung, was sich auch im Storytelling niederschlägt, und der Rest ergänzt insgesamt gut, alle wirken sympathisch, was sicherlich auch daran liegt, dass die Darsteller einen guten Draht zueinander zu haben scheinen. Das lässt einen auch über die eine oder andere Schwäche in der Performance hinweg sehen.
Was sicherlich dann erschlagend wirken kann, ist der Nebencast, der ja mit jeder Tür komplett wechselt. Sicherlich entdeckt man den einen oder anderen Mitspieler wieder, doch der Cast ist schon sehr groß.
Um hier Überblick zu bekommen, wird die Auslegung der Figuren clever mit Lin Qiushis Charakterentwicklung kombiniert. So sind ihm in den ersten Leveln alle Mitspieler extrem wichtig und er möchte wirklich jedem helfen, sodass sich die Serie viel Zeit für alle nimmt, je weiter das Spiel jedoch voranschreitet, desto unwichtiger werden ihm die Mitspieler und desto mehr rücken die Figuren in den Hintergrund.
Viele Figuren verlangen auch einen großen Cast, und ich fand keinen wirklich falsch in seiner Rolle. Gerade bei den Hauptfiguren haben wir viele Debuts und junge Schauspieler, die nur wenig Erfahrung haben, ihren Job aber gut machen. Da fiel ein Huang Jun Jie (Lin Qiushi - „Reunion: Sound of Providence", „Big Boss", „Dr. Cutie") mit 7 Jahren Erfahrung neben den Anfängern fast negativ auf, weil er stellenweise massive Probleme in der Darstellung von Emotionen hatte. Nichts desto trotz fand ich auch ihn gut gecastet, da er von seiner Aura her hervorragend passte. Und Xia Zhi Guang (Ruan Nanzhu) spielt als Idol-Actor (R1SE YouTube) überraschend stabil. Auch die NPCs haben stellenweise sehr starke Darsteller.
Die „Gegner“, wenn man sie denn so nennen kann, fand ich unnötig. Wir haben mit den einzelnen Geschichten eigentlich genug Gefahren und Gegenspieler, sodass ich in der realen Welt nicht auch noch einen Gegenspieler gebraucht hätte, aber auch das ist auf den Settingwechsel zu VR hin begründet.
Fazit
Eine Serie mit sehr besonderem, unverbrauchtem Setting und einem soliden Cast, die zwar die typischen chinesischen Plotholes hat, aber von Vorne bis Hinten absolut unterhält.
Leider erschweren die teils unglücklichen Subs das Schauen, wer sich hier aber nicht abschrecken lässt, der hat mit „The Spirealm“ eine wirklich außergewöhnliche und sehenswerte Serie vor sich.
Beitrag wurde zuletzt am 04.04.2024 08:30 geändert.