Vorwort:
Das japanische, asiatische Kino als Ganzes, wird mitunter immer noch sehr unterschätzt. Der gemeine Bürger dürfte wohl eher Trash-Produktionen damit verbinden, ein eklatanter Fehler. Denn asiatisches Kino hat enorm viel zu bieten. Filme, Meisterwerke, die es zu sehen, zu bewundern, zu analysieren gilt. Ich selbst schlage mich durch diese fremde, einzigartige, faszinierende Welt. So spiele ich mit dem Gedanken, regelmäßig Kritiken zu verfassen und dem verwaisten Live Action-Bereich vielleicht auch den einen oder anderen Kommentar zu spendieren. Doch das wird die Zeit ergeben.
Ai no korīda/Im Reich der Sinne - Japan/Frankreich - Nagisa Oshima - 1976HandlungKichizō ist der Besitzer eines Geisha-Hauses, in dem Abe Sada als Dienerin und Prostituierte arbeitet. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Beziehung. Kichizō verlässt schließlich seine Familie, um ganz bei Sada zu sein – mehr und mehr verfällt er ihr.
Abgeschottet von der Außenwelt geben sich die beiden ganz der grenzenlosen sexuellen Begierde hin. Gemeinsam tauchen sie immer tiefer in die Welt der Leidenschaft bis hin zum Lustschmerz ein
Zu Beginn einen Klassiker. Im Reich der Sinne galt und gilt immer noch als ein Skandalfilm. So musste der Film als französische Produktion deklariert und auch dort geschnitten werden, da er den Rahmen des Möglichen in Japan zu überschreiten drohte. Lange Zeit bloß in gekürzter, zensierter Fassung verfügbar und aus den Lichtspielhäusern verbannt, inzwischen jedoch etabliert und von einer besonderen Aura umgeben. Ein Film, der die Kritiker entzweite, damals wie heute. Selten ist ein Film in seiner Darstellung von (unsimuliertem) Sex so explizit, so graphisch, zugleich aber auch so einfühlsam und schön.
Die Geschichte, die Oshima erzählt, ist an wahre Ereignisse angelehnt, nämlich an den Fall der Sada Abe, der das imperialistische Japan der 1930er Jahre aufhorchen lies. Hierzu sei aber nicht mehr gesagt, um der Intensität keinen Abbruch zu tun.
Im Reich der Sinne ist ein faszinierender Film. Die Cinematographie ist wundervoll, alles ist farbenprächtig und klar. Ausdrucksstarke Bilder, die Natur und Wetter einfangen. Musikalisch sehr traditionell gehalten, dabei wunderbar atmosphärisch und stets passend. Ein Film über Liebe in ihrer extremsten Form, über sexuelle Obsession, gar Perversion, verzehrende Lust und Ekstase. Ein Film, der in seiner Darstellung außergewöhnlich explizit, erotisch, aber niemals anstößig wirkt. Der selbst aus der Epoche der 70er, geprägt von sexueller Revolution und Emanzipation, heraussticht. Ein Film, der zeitlich in die Schwelle zwischen der revolutionären Nūberu bāgu (Japanese New Wave) und dem Pinku eiga (Pink Film) zu setzen ist. Ein Film, den zu sehen es sich lohnt.
Bloße Pornographie unter dem Deckmantel der Kunst? In meinen Augen ist Im Reich der Sinne mehr, sehr viel mehr. Eine faszinierende Studie über zügellose Liebe und Vergänglichkeit. Wunderschön.
Ob nun Kunst oder Pornographie, das sei jedem selbst überlassen. Den Titel als am schönsten gefilmter Porno aller Zeiten hätte Im Reich der Sinne zumindest mit Leichtigkeit inne.
Soweit meine bescheidenen Worte dazu. Ich habe den Film übrigens im O-Ton mit englischen Untertiteln gesehen.
Beitrag wurde zuletzt am 19.12.2015 10:17 geändert.
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