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Ich habe Starregisseur Makoto Shinkai immer als einen sehr visuellen Künstler wahrgenommen. Auch wenn der Meister die Geschichten für seine Filme selber schreibt und sich damit die vollkommene kreative Kontrolle über seine Werke sichert, habe ich ihn immer weniger für sein Storytelling bewundert.
Eher war es seine Art, die Grenzen vom im Medium Anime technisch und darstellerisch Machbaren auszuloten.
Nachdem mir bereits Shinkais frühere Werke gefallen haben, konnte mich Your Name als erster Shinkai-Film auch auf inhaltlicher Ebene mitreißen und mich als seichter Jugendthriller begeistern. Weathering With You war dann schließlich derselbe Song noch mal, wobei der aufgewärmte Mix aus Elementen und Struktur des Vorgängers trotzdem munden konnte.
In den ersten Trailern fühlte sich Suzume für mich dann keineswegs wie ein "Your Name 3" an. Ob Shinkai nach den Erfolgen des letzten Jahrzehnts mit einem neuen erfrischenden Konzept die Kinos stürmt oder der Versuchung anheimfällt, das Erfolgskarussell bis zum bitteren Ende immer gleiche Runden drehen zu lassen, erfahrt ihr in diesem Review!
Als Geschichtenerzähler hat sich Shinkai seit Your Name zur Aufgabe gemacht, kontemporäre Themen der japanischen Gesellschaft mit übernatürlichen Abenteuern zu verbinden und möglichst mitreißend auf Zelluloid zu bannen. Sei es das Auseinanderdriften der immer weiter ausdünnenden Landbevölkerung mit den Städtern und so zwei grundverschiedene Lebensrealitäten innerhalb eines Landes oder der Kampf mit dem Klimawandel und die mit ihm verbundenen Naturkatastrophen.
Katastrophen sind auch in Suzume das Leitthema, wobei dieses auf vielen verschiedenen Ebenen und Blickwinkel beleuchtet wird.
Der Film lässt sich im Grunde in zwei Akte unterteilen: Der erste Akt kommt in Form einer Art Urban-Fantasy-Roadmovie daher und bringt die Elemente zurück, die einst in Your Name die Massen in Begeisterung versetzten: Eine schicksalhafte Begegnung, übernatürliche Mächte, die die Welt aus dem Schatten heraus steuern und eine gewichtige Aufgabe, deren Bewältigung ein folgenschweres Schicksal nach sich zieht. Obwohl hier auf Plotebene nichts Unerwartetes passiert und die Geschichte eher durch das faszinierende Roadtrip-Feeling und die charismatischen Nebenfiguren besticht, bereitet die Symbolik der Suzume und Souta auferlegten Aufgabe den Zuschauer bereits auf das vor, was im zweiten Akt über ihn hereinbricht:
Ein düsteres Charakterdrama, in dem die zuvor aufgebaute Feelgood-Stimmung über weite Strecken zu Boden gerissen und in einer Fülle von ganz Shinkai-untypischen Themen wie Katastrophen, Verlust und Trauer ertränkt wird. Hat der Regisseur sich mit Weathering With You noch als erklärtes Ziel formuliert, dem jugendlichen Publikum Mut zuzusprechen, geht es in Suzume vielmehr um die Bewältigung und das Leben-lernen mit Traumata und Entropie.
Mit erdrückenden Parallelen zum verheerenden Tohoku-Erdbeben von 2011 muss sich unsere Protagonistin in einer von Symbolen übersäten Geschichte sowohl den Schatten der Vergangenheit als auch denen der Gegenwart stellen, in der Hoffnung, doch alles wieder zum Guten zu wenden.
Eine weiße Katze als Symbol der Hoffnung, die auf Suzumes Ausruf hin, ihr nicht mehr zuhören zu wollen plötzlich altert und verfällt und eine auf dem emotionalen Höhepunkt auftretende schwarze Katze, die als Symbol der Depression Menschen in den emotionalen Abgrund zieht und ihnen mit lauter Elend den Blick für die Realität raubt sind dabei nur die Spitze des metaphorischen Eisbergs.
Mit Suzume ist es Shinkai gelungen, das Stimmungsbild einer Generation einzufangen, die im Wirbel einer globalen Pandemie einen großen Teil ihrer Jugend eingebüßt hat. Einer Nation, die auch heute noch von den Folgen einer verheerenden Naturkatastrophe gezeichnet ist und es im Laufe ihrer Historie immer und immer wieder wurde. Und jedes einzelnen von uns, der schon einmal einen schmerzlichen Verlust hinnehmen und lernen musste, mit der Vergangenheit (pun intended) abzuschließen.
Bei all dem Lob für den völlig unerwarteten Tiefgang soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Plot selbst einige grobe Macken aufweist: So ist das gesamte Setup völlig konstruiert und bis zum Schluss bleibt der Film dem Zuschauer eine logische Erklärung dafür schuldig, warum ausgerechnet Suzume in Soutas Umstände hineinstolpert.
Generell wirkt die Lovestory, als hätte man den Film auf keinen Fall veröffentlichen wollen, ohne irgendwie noch die Quotenromanze hineinzuprügeln, denn Suzumes Gefühle für Souta bleiben durchgehend oberflächlich, unglaubwürdig und gewollt - so wie alles was unsere Protagonistin tut, deren Motivationen die des Autors zu schein scheinen, der den Plot auf Biegen und Brechen vorantreiben will, ohne zu lange über eine logische Sequenz der Ereignisse nachzudenken.
Generell wirkt es so, als hätte Shinkai in all dem Fokus auf aggressiven Symbolismus die Kausalität völlig beiseitegeschoben, sodass der Plot als solcher, abgesehen vom wirklich großartigen Charakterdrama rund um Suzumes Trauma, oberflächlich und schwach bleibt.
Inszenatorisch ist der Film trotz der üblichen Integrität des Teams unter Shinkai deutlich zahmer als sein Vorgänger. Dabei legt Shinkai den Fokus weniger auf opulente Post Production oder atemberaubendes Sakuga, sondern eher auf die enorm detaillierten Hintergründe. Jeder Schauplatz, jeder Raum in Suzume erzählt eine eigene Geschichte und erschafft so ein enorm atmosphärisches, glaubwürdiges Setting, das den Grundstein für die enorm dichte Atmosphäre des Films legt.
Trotzdem gibt es immer noch einige großartige Cuts, die vor allem in den Schlüsselmomenten routiniert episch in Szene gesetzt sind - Shinkai ist eben doch der wahrscheinlich erfolgreichste Anime-Regisseur der letzten zehn Jahre und beherrscht sein Handwerk, im Publikum Gänsehaut zu erzeugen.
Suzume ist lange nicht so visuell wie seine Vorgänger, sondern versucht, den Fokus auf inhaltliche Tiefe auch optisch darzustellen und unterstreicht seinen bedachten Ton mit einer nachdenklichen Nüchternheit in seiner Darstellung.
Fazit
Kaum ein Film der letzten Jahre fängt für mich das Sentiment unserer von zahlreichen globalen Krisen gezeichneten Zeit so sehr ein wie Suzume. Doch der Film führt uns nicht nur den Schmerz des Verlusts vor Augen, sondern nimmt uns an die Hand und will uns zeigen, dass hinter einer pechschwarzen Tür strahlendes Licht warten kann.
Allerdings ist es nicht alles Gold, was messerscharf in Szene gesetzt mit Metaphern um sich schmeißt: So entdeckt man bei genauerer Betrachtung einige grobe Risse in Shinkais Storygerüst, die für mich das Gesamterlebnis des Films jedoch kaum geschmälert haben.
Ich war einfach zu überrascht, nach den seichten Vorgängern ein Werk derartiger Tiefe auf der Leinwand zu sehen und bin der Meinung, dass der Film in den Momenten, in denen es wirklich drauf ankommt, auch erzählerisch zumindest passable Arbeit macht.
Insgesamt wartet hier also ein enorm emotionaler, zeitgenössischer und tiefsinniger Film darauf, euch Hoffnung zu spenden.
9/10
Eher war es seine Art, die Grenzen vom im Medium Anime technisch und darstellerisch Machbaren auszuloten.
Nachdem mir bereits Shinkais frühere Werke gefallen haben, konnte mich Your Name als erster Shinkai-Film auch auf inhaltlicher Ebene mitreißen und mich als seichter Jugendthriller begeistern. Weathering With You war dann schließlich derselbe Song noch mal, wobei der aufgewärmte Mix aus Elementen und Struktur des Vorgängers trotzdem munden konnte.
In den ersten Trailern fühlte sich Suzume für mich dann keineswegs wie ein "Your Name 3" an. Ob Shinkai nach den Erfolgen des letzten Jahrzehnts mit einem neuen erfrischenden Konzept die Kinos stürmt oder der Versuchung anheimfällt, das Erfolgskarussell bis zum bitteren Ende immer gleiche Runden drehen zu lassen, erfahrt ihr in diesem Review!
Als Geschichtenerzähler hat sich Shinkai seit Your Name zur Aufgabe gemacht, kontemporäre Themen der japanischen Gesellschaft mit übernatürlichen Abenteuern zu verbinden und möglichst mitreißend auf Zelluloid zu bannen. Sei es das Auseinanderdriften der immer weiter ausdünnenden Landbevölkerung mit den Städtern und so zwei grundverschiedene Lebensrealitäten innerhalb eines Landes oder der Kampf mit dem Klimawandel und die mit ihm verbundenen Naturkatastrophen.
Katastrophen sind auch in Suzume das Leitthema, wobei dieses auf vielen verschiedenen Ebenen und Blickwinkel beleuchtet wird.
Der Film lässt sich im Grunde in zwei Akte unterteilen: Der erste Akt kommt in Form einer Art Urban-Fantasy-Roadmovie daher und bringt die Elemente zurück, die einst in Your Name die Massen in Begeisterung versetzten: Eine schicksalhafte Begegnung, übernatürliche Mächte, die die Welt aus dem Schatten heraus steuern und eine gewichtige Aufgabe, deren Bewältigung ein folgenschweres Schicksal nach sich zieht. Obwohl hier auf Plotebene nichts Unerwartetes passiert und die Geschichte eher durch das faszinierende Roadtrip-Feeling und die charismatischen Nebenfiguren besticht, bereitet die Symbolik der Suzume und Souta auferlegten Aufgabe den Zuschauer bereits auf das vor, was im zweiten Akt über ihn hereinbricht:
Ein düsteres Charakterdrama, in dem die zuvor aufgebaute Feelgood-Stimmung über weite Strecken zu Boden gerissen und in einer Fülle von ganz Shinkai-untypischen Themen wie Katastrophen, Verlust und Trauer ertränkt wird. Hat der Regisseur sich mit Weathering With You noch als erklärtes Ziel formuliert, dem jugendlichen Publikum Mut zuzusprechen, geht es in Suzume vielmehr um die Bewältigung und das Leben-lernen mit Traumata und Entropie.
Mit erdrückenden Parallelen zum verheerenden Tohoku-Erdbeben von 2011 muss sich unsere Protagonistin in einer von Symbolen übersäten Geschichte sowohl den Schatten der Vergangenheit als auch denen der Gegenwart stellen, in der Hoffnung, doch alles wieder zum Guten zu wenden.
Eine weiße Katze als Symbol der Hoffnung, die auf Suzumes Ausruf hin, ihr nicht mehr zuhören zu wollen plötzlich altert und verfällt und eine auf dem emotionalen Höhepunkt auftretende schwarze Katze, die als Symbol der Depression Menschen in den emotionalen Abgrund zieht und ihnen mit lauter Elend den Blick für die Realität raubt sind dabei nur die Spitze des metaphorischen Eisbergs.
Mit Suzume ist es Shinkai gelungen, das Stimmungsbild einer Generation einzufangen, die im Wirbel einer globalen Pandemie einen großen Teil ihrer Jugend eingebüßt hat. Einer Nation, die auch heute noch von den Folgen einer verheerenden Naturkatastrophe gezeichnet ist und es im Laufe ihrer Historie immer und immer wieder wurde. Und jedes einzelnen von uns, der schon einmal einen schmerzlichen Verlust hinnehmen und lernen musste, mit der Vergangenheit (pun intended) abzuschließen.
Bei all dem Lob für den völlig unerwarteten Tiefgang soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Plot selbst einige grobe Macken aufweist: So ist das gesamte Setup völlig konstruiert und bis zum Schluss bleibt der Film dem Zuschauer eine logische Erklärung dafür schuldig, warum ausgerechnet Suzume in Soutas Umstände hineinstolpert.
Generell wirkt die Lovestory, als hätte man den Film auf keinen Fall veröffentlichen wollen, ohne irgendwie noch die Quotenromanze hineinzuprügeln, denn Suzumes Gefühle für Souta bleiben durchgehend oberflächlich, unglaubwürdig und gewollt - so wie alles was unsere Protagonistin tut, deren Motivationen die des Autors zu schein scheinen, der den Plot auf Biegen und Brechen vorantreiben will, ohne zu lange über eine logische Sequenz der Ereignisse nachzudenken.
Generell wirkt es so, als hätte Shinkai in all dem Fokus auf aggressiven Symbolismus die Kausalität völlig beiseitegeschoben, sodass der Plot als solcher, abgesehen vom wirklich großartigen Charakterdrama rund um Suzumes Trauma, oberflächlich und schwach bleibt.
Inszenatorisch ist der Film trotz der üblichen Integrität des Teams unter Shinkai deutlich zahmer als sein Vorgänger. Dabei legt Shinkai den Fokus weniger auf opulente Post Production oder atemberaubendes Sakuga, sondern eher auf die enorm detaillierten Hintergründe. Jeder Schauplatz, jeder Raum in Suzume erzählt eine eigene Geschichte und erschafft so ein enorm atmosphärisches, glaubwürdiges Setting, das den Grundstein für die enorm dichte Atmosphäre des Films legt.
Trotzdem gibt es immer noch einige großartige Cuts, die vor allem in den Schlüsselmomenten routiniert episch in Szene gesetzt sind - Shinkai ist eben doch der wahrscheinlich erfolgreichste Anime-Regisseur der letzten zehn Jahre und beherrscht sein Handwerk, im Publikum Gänsehaut zu erzeugen.
Suzume ist lange nicht so visuell wie seine Vorgänger, sondern versucht, den Fokus auf inhaltliche Tiefe auch optisch darzustellen und unterstreicht seinen bedachten Ton mit einer nachdenklichen Nüchternheit in seiner Darstellung.
Fazit
Kaum ein Film der letzten Jahre fängt für mich das Sentiment unserer von zahlreichen globalen Krisen gezeichneten Zeit so sehr ein wie Suzume. Doch der Film führt uns nicht nur den Schmerz des Verlusts vor Augen, sondern nimmt uns an die Hand und will uns zeigen, dass hinter einer pechschwarzen Tür strahlendes Licht warten kann.
Allerdings ist es nicht alles Gold, was messerscharf in Szene gesetzt mit Metaphern um sich schmeißt: So entdeckt man bei genauerer Betrachtung einige grobe Risse in Shinkais Storygerüst, die für mich das Gesamterlebnis des Films jedoch kaum geschmälert haben.
Ich war einfach zu überrascht, nach den seichten Vorgängern ein Werk derartiger Tiefe auf der Leinwand zu sehen und bin der Meinung, dass der Film in den Momenten, in denen es wirklich drauf ankommt, auch erzählerisch zumindest passable Arbeit macht.
Insgesamt wartet hier also ein enorm emotionaler, zeitgenössischer und tiefsinniger Film darauf, euch Hoffnung zu spenden.
9/10
Kommentare
Wer von einem Film nach Pokémon 3 (2001) weiß, der mehr Besucher hatte, sagt es mir bitte. 😅
Jedoch krankt Suzume ein Stück weit an der Ausgangssituation, also wie sich Suzume überhaupt in Souta verliebt hat. Ein erster Blick und die schöne Stimme zu hören hatte wohl schon gereicht damit Suzume irgendwie an ihm hing und auf der man den ganzen Film aufbauen konnte. Da hatte Shinkai es sich zu leicht gemacht. Für mich eindeutig zu wenig Substanz. Die kam erst später im Verlauf des Road Trips durch Japan. Diesen Road Trip hätte es so aber nie gegeben, wenn Suzume sich nach erster zufälliger Begegnung nicht instant für Souta interessiert und entschlossen hätte ihm hinterherzufahren. Hätte man das noch besser hinbekommen wäre der Film durchaus Meisterwerkwürdig gewesen.
Nichtsdestotrotz ist für mich schon eine gewisse Steigerung erkennbar, sodass ich etwas optimistischer in die Zukunft Blicke hinsichtlich der Entwicklung von Shinkais Arbeiten. An der Grundformel rüttelt Shinkai auch weiterhin nicht, mit der er seit Your Name internationale Erfolge en Masse feiert. Wäre an sich schön, wenn Shinkai mal was gänzlich neues ausprobiert. Denke das er sich das in seiner Position auch leisten könnte. Wenn man allerdings erst mit einer bestimmten Art von Arbeit mega erfolgreich wird wird es schwierig davon weg zu kommen. Vom Macher selbst ist das auch nicht immer so gewünscht. Denn schließlich möchte man doch nicht auf seine Erfolgsformel verzichten.
Insgesamt kann man sich Suzume ruhig mal anschauen. Allein wegen der ganzen Aufmachung ist der Film einen Blick Wert und Story und Charaktere kann man sich gut geben, sofern man damit klar kommt, dass sich die Protagonistin einfach mal so im Vorbeigehen in den anderen Protagonisten verliebt und sich, warum auch immer, auf einmal für ihn interessiert. Zudem bietet der Film eine ausgewogene Mischung an emotionalen, aber nicht zu kitschigen, Momenten, aber auch auflockernd amüsante Momente, die nicht allzu sehr in den Slapstick reinrutschen. Das konnte Shinkai aber bereits schon in der Vergangenheit ganz gut.